Am 8. Juni beginnen die Ausschusssitzungen zur Vorbereitung der Stadtratssitzung am 2. Juli 2020. Auf der Tagesordnung steht unter anderem die Vorlage der Fraktion Die Linke, das Winterbergprojekt auf den Prüfstand zu stellen. Wie ist die Position des Skiverbandes Sachsen-Anhalt dazu?
Dr. Rüdiger Ganske: Das Projekt auf den Prüfstand zu stellen ist aus unserer Sicht verständlich, da die Blockadehaltungen des Umweltministeriums das Projekt auf unverantwortliche Weise verzögern. Bereits 2001 wurde das Gebiet durch die damalige Landesregierung aus dem Nationalpark zum Zwecke der Investition entlassen. Aufgrund der Schwierigkeit, die durch den FFH-Status des Gebietes gegeben sind, ist das Land gefordert, Lösungen zu finden. Wir haben aufgrund unseres hohen Bedarfes hinsichtlich der Umsetzung des Projektes weiterhin eine hohe Erwartung an Schierke.
Was ist damit gemeint?
Dr. Rüdiger Ganske: Der Skisport verbindet mit Schierke Erwartungen mit hohen Maßstäben. Die ergeben sich weiterhin aus der zum Teil international geprägten wintersporthistorischen Vergangenheit, andererseits aus den Potenzialen, die die Berge um Schierke mit den großen Höhendifferenzen und der damit verbundenen auch heute relativen Schneesicherheit prägen.
Was heißt das konkret?
Dr. Rüdiger Ganske: Schierke ist ein sporttouristischer Hotspot über den Harz und über Sachsen-Anhalt hinaus. Aus unserer Sicht wird Schierke diesbezüglich unter Wert verkauft. Unabhängig vom Winterbergprojekt sollte dieses Potenzial wesentlich stärker als bisher in den Vordergrund gerückt werden. Hierzu gibt es eine Reihe Initiativen aus Vereinen, Interessengruppen und anderen, die gilt es zu bündeln. Dazu zählen Mountainbiker, Nordic Walker, Wanderer, Skiläufer, Zielgruppen, die die Umweltbildung in den Vordergrund stellen, und andere. Dieses Ziel, mit dem dann auch Maßstäbe verbunden sind, ist bisher in dieser Klarheit nicht formuliert worden.
Stichwort Regionalkonzept des Skiverbandes Sachsen-Anhalt, wie ist hier der Stand?
Thomas Hedderich: Das mit dem Deutschen Skiverband, LandesSportBund Sachsen-Anhalt und Deutschen Olympischen Sportbund vereinbarte Regionalkonzept betrifft eine Reihe von Leistungszentren in Sachsen-Anhalt, also beispielsweise auch Köthen und Leuna. Für unsere Region ist Wernigerode mit Schierke als „Hervorgehobener Stützpunkt des DSV“ definiert. Hier geht es um Nachwuchsleistungssport mit einer Zielplanung von Medaillen für Sportler des Skiverbandes Sachsen-Anhalt bei Junioren-Weltmeisterschaften bis zu Olympischen Spielen. Hinsichtlich der erforderlichen Sportstätten bemühen wir uns zurzeit gemeinsam mit der Stadt Wernigerode und dem Ski-Klub Wernigerode um die Finanzierung eines Liftes für die Zwölfmorgentalschanze. Für Schierke ist im Bereich des Parkhauses eine Skirollerstrecke geplant.
Ihr sprecht von einer Skirollerstrecke in Schierke – wie sieht es mit der Nutzung der Wettkampfloipe aus?
Thomas Hedderich: Die Wettkampfloipe ist weiterhin eine sehr wichtige Schneeloipe auf dem Grünen Band zwischen den beiden Winterbergen, aufgrund ihrer Lage wird sie auch als Höhenloipe bezeichnet. Sie wurde 2003 im Zusammenhang mit dem Loipenhaus konzipiert, gewissermaßen als komplexe Infrastruktur für Training und Wettkämpfe. Welche Attraktivität die Wettkampfloipe besitzt, hat beispielsweise der 2004 ausgetragene Weltcup B in der Nordischen Kombination zwischen Schierke und Braunlage gezeigt. Nach wie vor fehlt die Seilbahn, um den von Beginn an geplanten und unbedingt erforderlichen Zugang zur Loipe zu erreichen. Die Zufahrt über Braunlage, die NATO-Straße und den Ulmer Weg ist unwirtschaftlich.
Das Loipenhaus ist derzeit geschlossen…
Dr. Rüdiger Ganske: Ja leider. Das Loipenhaus ist eine Modellprojekt der Stiftung Sicherheit im Skisport und sollte neben seiner Funktion als Start- und Zielhaus und als Umkleide- und Aufwärmstation für den touristischen Skilangläufer vor allem eine Heimstätte für Umweltbildung mit und ohne Schnee in Verbindung mit den verschiedenen Formen von Bewegung wie Skilauf, Mountainbiken, Wandern oder Nordic Walking sein. Der Nationalpark ist hier weiterhin als Partner gern gesehen. Das Projekt ticket2nature der Stiftung Sicherheit im Skisport ist für uns nach wie vor ein anstrebenswertes Vorbild.
Stichwort „mit und ohne Schnee“ – wie sieht Eure Strategie hinsichtlich der Anpassung an den Klimawandel aus?
Thomas Hedderich: Wir hatten tatsächlich eine katastrophale letzte Saison. Wir müssen in Zukunft strukturierter mit diesem Thema umgehen. Auch mit Blick auf die Maßstäbe, die durch den Nachwuchsleistungssport an uns gestellt werden, brauchen wir für die Entwicklung der sportlichen Leistung Planungssicherheit. Deshalb haben wir nach den jüngsten Auswertungsvideokonferenzen mit dem Deutschen Skiverband aber auch in unseren eigenen Reihen den Gedanken vertieft ausgesprochen: Wir müssen prinzipiell den gesamten Jahresablauf ohne Schnee planen. Wenn dann Schnee liegt, um so besser. Das Prinzip Hoffnung hilft uns nicht weiter.
Was ist dann mit Beschneiung?
Dr. Rüdiger Ganske: Hinsichtlich Schierke sollte Beschneiung angewendet werden, wenn es die Temperaturen zulassen. Die Wirtschaftlichkeit muss durch Multifunktionalität der Beschneiungsanlage insgesamt gewährt bleiben wie durch die Verwendung des Schneiteiches als Feuerlöschteich oder gewissermaßen als „Kurteich“ für Wellness oder zum Baden. Snowfarming, das heißt die Nutzung von gelagertem Schnee aus dem Vorjahr, sollte allerdings nicht vergessen werden.